Im Folgenden wird hier vorgestellt wie Stress und emotionale Belastungen, die letztendlich auch Stress sind, zu Veränderungen der Hirnphysiologie führen und somit Tinnitus auslösen können.
Akustische Reize, wie auch Schmerzen, werden im Gehirn wahrgenommen. Man kann erst dann hören, wenn die akustischen Signale vom Innenohr über Nervenbahnen zur Hörrinde des Gehirns gelangt sind. Schmerzen kann man nur dann fühlen, wenn Nerven Informationen von der geschädigten Körperstelle zum Gyrus Postzentralis des Gehirns weitergeleitet haben. Erst im Gehirn wird der Schmerz zum Schmerz und somit spürbar.
Beim Tinnitus ist die neuronale Aktivität in verschiedenen Hirnarealen verändert. Das konnte mithilfe bildgebender Verfahren festgestellt werden. Gerade auch in der Amygdala (Mandelkern) des limbischen Systems (das liegt im Mittelhirn) wurde eine erhöhte Aktivität festgestellt. Im limbischen System des Gehirns entstehen Emotionen. Es ordnet allen Sinneseindrücken und Erlebnissen eine Emotion zu. Diese werden dort quasi emotional verarbeitet. Steht man beispielsweise vor einem Abgrund entsteht Angst, wird man beschenkt entsteht Freude. Erleben Menschen zu viele belastende Sinneseindrücke und Erlebnisse, so können diese nicht mehr vollständig vom limbischen System verarbeitet werden. Es entsteht Stress.
Das limbisches System ist eng mit dem Hörsystem verknüpft. Es filtert akustische Signale, damit nicht alles, sondern nur das Wichtige, in das Bewusstsein gelangt. Somit kann man sich auf die wichtigen akustischen Signale konzentrieren. Bei erhöhtem Stress findet eine erhöhte Aufmerksamkeit des limbischen Systems auf Tonfrequenzen statt, die vom Ohr nicht so gut wahrgenommen werden können. Dabei kommt es zu störenden Rückkopplungsgeräuschen. Das ist vergleichbar mit dem Versuch eines Tontechnikers eine leise Stimme durch Verstärkung lauter zu machen. Bei dem Versuch können laute pfeifende Rückkopplungsgeräusche entstehen.
Eine vereinfachte Erklärung für die Entstehung der Ohrgeräusche ist, dass durch vermehrten Stress, der Geräuschfilter des limbischen Systems nicht mehr richtig funktioniert und es dadurch zur Entstehung von Ohrgeräuschen kommen kann.
Manche Forscher vermuten, dass verschiedene Hirnstrukturen, die bei dem sogenannten Schmerzgedächtnis und bei chronischen Schmerzen eine wichtige ursächliche Rolle spielen, auch entscheidend ursächlich für Tinnitus sein können. Zu diesen Strukturen werden wiederum das limbische System und der präfrontale Cortex, der zum erweiterten limbischen System gehört, gezählt.
Je nach Tinnitustyp sollen auch noch andere Regionen des Gehirns an der Tonentstehung beteiligt sein. Zum Beispiel hat man bei Schwerhörigen, die unter Tinnitus leiden, festgestellt, dass Neurone der Hörrinde eine verstärkte Aktivität aufweisen. Dies könnte für die Entstehung von Tinnitus bei Schwerhörigen ursächlich sein.
Klar scheint aber, dass Ohrgeräusche oftmals nicht im Ohr selbst sondern im Gehirn entstehen.