Stress als Ursache von Tinnitus

Zunehmend wird in Fachkreisen Stress als Ursache für Tinnitus diskutiert.

 

In diesem Fachartikel wird beschrieben wie Stress zu Tinnitus führen kann.

Tinnitus ist eine Erkrankung, bei der Betroffene in einem oder beiden Ohren Geräusche wahrnehmen, denen aber keine äußeren Schallquellen zugeordnet werden können. Das Wort „Tinnitus“ stammt von dem lateinischen Wort „tinnire“ (deutsch: „klingeln“) ab. Jede zehnte Person in Deutschland leidet unter einem mehr oder weniger starken Tinnitus. Die Ohrgeräusche werden von den Betroffenen als Pfeifen, Dröhnen, Brummen, Zischen, Knacken oder Klopfen wahrgenommen.

Es gibt viele verschiedene Behandlungsansätze und Therapiemöglichkeiten um Tinnitus zu behandeln. Die Therapie richtet sich unter anderem nach den zugrundeliegenden Ursachen der Ohrgeräusche. Bei vielen Patienten lassen sich jedoch keine auslösenden Ursachen erkennen. Neuere Erkenntnisse besagen jedoch, dass Tinnitus oft Stress als eine Ursache hat und dass die Ohrgeräusche im Gehirn selbst und nicht in den Ohren entstehen.

Ursachen von Tinnitus

Tinnitus kann viele Ursachen haben. Diese können sein: Hörsturz, Morbus Mènière, Otosklerose, akutes Lärmtrauma, Medikamente, chronische Mittelohrentzündungen, Herz- Kreislauferkrankungen und andere.

In physiotherapeutischen und osteopathischen Fachkreisen werden auch oft funktionelle Störungen der oberen Halswirbelsäule und der Kiefergelenke als mögliche Ursachen diskutiert.

In den letzten Jahren rücken gerade auch Stress und emotionale Belastungen mehr und mehr in den Fokus der Ursachenforschung, zumal man auch erkannt hat, dass Tinnitus nicht im Innenohr selbst entsteht. Bei der Durchtrennung von Hörnerven besteht in der Regel der Tinnitus fort. Die Hypothese, dass Tinnitus im Gehirn entsteht und dass Stress dafür ursächlich sein soll, setzt sich mehr und mehr durch.

Stress

Im Folgenden wird hier vorgestellt wie Stress und emotionale Belastungen, die letztendlich auch Stress sind, zu Veränderungen der Hirnphysiologie führen und somit Tinnitus auslösen können.

 

Akustische Reize, wie auch Schmerzen, werden im Gehirn wahrgenommen. Man kann erst dann hören, wenn die akustischen Signale vom Innenohr über Nervenbahnen zur Hörrinde des Gehirns gelangt sind. Schmerzen kann man nur dann fühlen, wenn Nerven Informationen von der geschädigten Körperstelle zum Gyrus Postzentralis des Gehirns weitergeleitet haben. Erst im Gehirn wird der Schmerz zum Schmerz und somit spürbar.

Beim Tinnitus ist die neuronale Aktivität in verschiedenen Hirnarealen verändert. Das konnte mithilfe bildgebender Verfahren festgestellt werden. Gerade auch in der Amygdala (Mandelkern) des limbischen Systems (das liegt im Mittelhirn) wurde eine erhöhte Aktivität festgestellt. Im limbischen System des Gehirns entstehen Emotionen. Es ordnet allen Sinneseindrücken und Erlebnissen eine Emotion zu. Diese werden dort quasi emotional verarbeitet. Steht man beispielsweise vor einem Abgrund entsteht Angst, wird man beschenkt entsteht Freude. Erleben Menschen zu viele belastende Sinneseindrücke und Erlebnisse, so können diese nicht mehr vollständig vom limbischen System verarbeitet werden. Es entsteht Stress.

Das limbisches System ist eng mit dem Hörsystem verknüpft. Es filtert akustische Signale, damit nicht alles, sondern nur das Wichtige, in das Bewusstsein gelangt. Somit kann man sich auf die wichtigen akustischen Signale konzentrieren. Bei erhöhtem Stress findet eine erhöhte Aufmerksamkeit des limbischen Systems auf Tonfrequenzen statt, die vom Ohr nicht so gut wahrgenommen werden können. Dabei kommt es zu störenden Rückkopplungsgeräuschen. Das ist vergleichbar mit dem Versuch eines Tontechnikers eine leise Stimme durch Verstärkung lauter zu machen. Bei dem Versuch können laute pfeifende Rückkopplungsgeräusche entstehen.

Eine vereinfachte Erklärung für die Entstehung der Ohrgeräusche ist, dass durch vermehrten Stress, der Geräuschfilter des limbischen Systems nicht mehr richtig funktioniert und es dadurch zur Entstehung von Ohrgeräuschen kommen kann.

Manche Forscher vermuten, dass verschiedene Hirnstrukturen, die bei dem sogenannten Schmerzgedächtnis und bei chronischen Schmerzen eine wichtige ursächliche Rolle spielen, auch entscheidend ursächlich für Tinnitus sein können. Zu diesen Strukturen werden wiederum das limbische System und der präfrontale Cortex, der zum erweiterten limbischen System gehört, gezählt.

Je nach Tinnitustyp sollen auch noch andere Regionen des Gehirns an der Tonentstehung beteiligt sein. Zum Beispiel hat man bei Schwerhörigen, die unter Tinnitus leiden, festgestellt, dass Neurone der Hörrinde eine verstärkte Aktivität aufweisen. Dies könnte für die Entstehung von Tinnitus bei Schwerhörigen ursächlich sein.

Klar scheint aber, dass Ohrgeräusche oftmals nicht im Ohr selbst sondern im Gehirn entstehen. 

 

Untersuchung, Befund

Kommen Tinnituspatienten zu mir in die Praxis, führe ich zuerst eine sehr ausführliche Anamnese, mit ausführlicher Stressanamnese durch, um festzustellen inwieweit meine Patienten unter Stress leiden. Fremdbefunde mit Diagnosen werden berücksichtigt. Eine körperliche Untersuchung schließt sich an, bei der ein besonderes Augenmerk auf die Untersuchung der oberen Halswirbelsäule und der Kiefergelenke gelegt wird. Strukturen der oberen Halswirbelsäule und der Kiefergelenke stehen im engen funktionellen Zusammenhang mit der Hörrinde und den Innenohren. So gibt es nervale Verbindungen von Rezeptoren der kurzen Nackenmuskeln und der Kaumuskeln zur Hörrinde. Bewegungen des Kiefergelenks wirken sich direkt auf die Innenohrregion aus.

Gehen aus den Fremdbefunden und der körperlichen Untersuchung der Patienten keine auslösenden Ursachen hervor, bei gleichzeitiger positiver Stressanamnese, gehe ich davon aus, dass Stress die auslösende Ursache des Tinnitus sein muss.

Therapie des stressbedingten Tinnitus

Da Tinnitus immer ein sehr komplexes Geschehen ist, ist ein ganzheitlicher Ansatz, bei guter Mitarbeit des Patienten sehr wichtig.

Am Anfang der Therapie steht immer die individuelle Beratung und Aufklärung des Patienten.

Zur weiteren Therapie gehören regelmäßige psychologische Beratungen, bei denen Ursachen von Stress herausgearbeitet und einer Lösung zugeführt werden. Manche Patienten leiden unter Depressionen, Ängsten und Schlafstörungen, die zum Teil schon vor dem Tinnitus bestanden oder dadurch ausgelöst wurden. Durch den Tinnitus ausgelöste Ängste, Depressionen und Schlafstörungen stellen einen erheblichen zusätzlichen Stress dar, der sich verschlechternd auf die Ohrgeräusche auswirken kann. Die psychologischen Beratungen können sich über mehrere Monate erstrecken.
Das Erlernen von Entspannungsverfahren, Achtsamkeitsübungen, das Lernen von Nein-sagen, und Methoden der Stressbewältigung sind weitere wichtige Maßnahmen der Beratungen.

Durchgesprochen wird auch ein individuell angepasstes körperliches Ausdauertraining, das die betroffenen Patienten regelmäßig durchführen sollen.

Da sich nie zweifelsfrei ausschließen lässt inwieweit die obere Halswirbelsäule und die Kiefergelenke mitursächlich am Tinnitus sind, behandle ich diese osteopathisch immer mit.