Das Impingementsyndrom der Schulter - Ursachen, Auswirkungen, alternative Therapie

Ein Fachartikel von Heilpraktiker und Osteopath Patric Warten, der in der Zeitschrift „Reflexe“, des Verbandes der Masseure der Schweiz, im Dezember 2015 veröffentlicht wurde

Beim Impingement-Syndrom der Schulter kommt es zu einer Verengung des subacromialen Gleitraumes in dem die Sehne des Musculus supraspinatus verläuft, der zu den Muskeln der Rotatorenmanschette zählt. Der Name „Impingement“ stammt von dem englischen Verb „impinge“ ab und bedeutet „anstoßen oder anschlagen“.

Die Muskeln der Rotatorenmanschette haben neben der rotierenden Funktion des Oberarmes weitere wichtige Aufgaben. Unter anderem bewirken sie bei der Armhebung ein Caudalgleiten des Oberarmkopfes in der Pfanne. Ist dieses Caudalgleiten gestört, kann der Oberarmkopf bei der Armhebung nicht mehr ausreichend nach unten gleiten und wird dabei zu weit nach oben gezogen. Die Sehne des M. supraspinatus kann somit eingeengt werden und erhält bei jeder Armhebung ein „Impingement“. Gleichzeitig steht bei Menschen, die ein Impingement-Syndrom erleiden, der Humeruskopf generell zu weit oben, was auch in Ruhestellung des Oberarmes schon eine Einengung für die Sehne bedeuten kann. Dieser Hochstand sowie die ungenügende Caudalgleitbewegung sind meistens einer Insuffizienz, einer muskulären Dysfunktion der Rotatorenmanschette geschuldet, die sich im Verlauf von Jahren bei einigen Menschen einstellen kann. 

Das Impingement-Syndrom entwickelt sich meist unbemerkt im Verlauf von Jahren und beginnt irgendwann mit leichten Schmerzen im Bereich des seitlichen Oberarmes bei der Armhebung, die auf Dauer stärker werden können. Durch die immer wiederkehrende mechanische Irritation der Supraspinatussehne erfährt diese eine zunehmende Reizung mit Entzündung und degenerativen Veränderungen. Bei Fortschreiten der Läsion können sich zusätzlich der ganze Gleitraum und die Gelenkkapsel entzünden.

Grundsätzlich kann ein Impingement-Syndrom bei Jedem vorkommen. Etwas gehäufter tritt es bei Sportlern, wie zum Beispiel bei Handballern, Bodybuildern oder Volleyballern auf. Etwas häufiger betroffene Berufsgruppen sind zum Beispiel Maler oder KFZ-Mechaniker, die bei ihren Tätigkeiten vermehrt über Kopf arbeiten müssen.
Besonders ist mir aufgefallen, dass etliche Impingement-Betroffene häufig beim Nachtschlaf den Arm, schon lange vor Beginn der Beschwerden, in einer über 80°-Stellung halten. Gerade die Armhaltung über 80° führt zu einer stärkeren Einengung des subacromialen Gleitraumes.

Befund und Diagnose

Das Impingement-Syndrom lässt sich gut mit einer Anamnese und einer körperlichen Untersuchung diagnostizieren.
Zur Anamnese befrage ich unter anderem wie lange die Schmerzen schon bestehen, wann und bei welchen Tätigkeiten diese auftreten und wo sie lokalisiert sind. Auch werden Fragen zu beruflichen und sportlichen Tätigkeiten und zur Armhaltung beim Schlafen gestellt.
Oft gleichen sich die Antworten der Befragten. Bei einem leichten Impingement bestehen Schmerzen meist nur bei der Armhebung über 80° und bei einer Armbewegung in Innenrotation hinter den Rücken (sogenannter Schürzenbindergriff). Gelegentlich kommen Schmerzen auch bei der Nachtruhe vor, besonders dann, wenn die Patienten den betroffenen Arm über 80° lagern. Die Schmerzen lokalisieren sich fast immer am seitlichen Oberarm auf Höhe des Ansatzes des M. deltoideus.
Je stärker das Impingement-Syndrom ausgeprägt ist desto mehr kommt auch ein Ruheschmerz vor. Die Schmerzen reichen dann immer mehr nach distal bis in den Ellenbogen und gelegentlich auch bis in den Unterarm. Auch treten immer mehr und immer heftiger Nachtschmerzen auf, auch wenn der Arm unter 80° gelagert wird. Auf der betroffenen Schulter kann dann meistens nicht mehr geschlafen werden. Allein schon diese angegebenen Symptome deuten auf ein Impingement-Syndrom hin.
Zur körperlichen Untersuchung sollte die allgemeine Haltung und Statik des Oberkörpers und die Stellung des Schultergürtels überprüft werden. Gelegentlich kann ein Rundrücken mit daraus resultierender Schulterprotraktion mitursächlich sein. Eine Überprüfung des betroffenen Schultergelenks auf seine Beweglichkeit darf nicht fehlen. Bei starken und länger anhaltenden Schulterengpass-Syndromen kann es zu einer Einschränkung der Beweglichkeit kommen, da aufgrund der Entzündung auch die Gelenkkapsel mit entzündet ist und diese dadurch schrumpft.
Sehr typisch für das Supraspinatus-Syndrom ist der sogenannte schmerzhafte Bogen (painfull arc). Dabei soll der Patient seinen Arm langsam bis zur Endstellung abduzieren. Typischerweise treten ab ca. 70°-90° Schmerzen im seitlichen Oberarm auf, die bei ca. 120° wieder nachlassen. Die Erklärung für diesen schmerzhaften Bogen ist, dass ab ca. 70°-90° Abduktion die Supraspinatussehne vermehrt unter Druck gerät, der dann ab ca. 120° wieder nachlässt und somit die Schmerzen wieder verschwinden. Gelegentlich können die Schmerzen auch an der Vorderseite des Oberarmes auftreten.
Ein weiterer Test, der bei der Untersuchung nicht fehlen darf, ist ein Widerstandstest. Dabei muss der Patient den betroffenen Arm um ca. 90° abduzieren, das Ellenbogengelenk ist dabei ca. 90° gebeugt. Bei stärkeren Impingement hat der Betroffene allein schon in dieser Stellung Schmerzen. Zusätzlich kann der Behandler Druck in Richtung Adduktion und Innenrotation geben, dabei muss der Patient in Richtung Abduktion und Außenrotation gegenhalten, was auch bei einem leichten Impingement spätestens jetzt Schmerzen auslöst. Die Erklärung dafür ist, dass bei diesem Widerstandstest die Supraspinatussehne unter Stress kommt. Wir erinnern uns, dass der M. supraspinatus ein Abduktor und Außenrotator ist.
Als letzter Test soll der Patient seinen betroffenen Arm zum Schürzenbindergriff hinter den Rücken führen. Das bewirkt eine starke Innenrotation im Schultergelenk. Die Supraspinatussehne kommt dabei unter Dehnungsstress, was dann, falls eine Läsion vorliegt, zu Schmerzen führt.
Die positiven Ergebnisse dieser Tests sind sehr aussagkräftig. Damit kann auch bei sehr leichten Engpass-Syndromen eine recht sichere Diagnose gestellt werden.

Alternative Therapie - Manuelle Therapie - Osteopathie

Ziel der Therapie ist, den Hochstand des Oberarmkopfes zu reduzieren und dadurch den Engpass zu beheben. Ein weiteres Ziel ist die Entzündungshemmung.

Die Entzündung betrifft meist nicht nur die Supraspinatussehne selbst, die sich dadurch verdickt und somit noch weniger Platz hat und dadurch noch mehr Einengung erfährt. Auch entzündet sich auf Dauer der Gleitraum selbst und bewirkt aufgrund der entzündlichen Schwellung eine weitere Einengung der Supraspinatussehne.

Bei der Therapie des Impingement-Syndroms gibt es viele unterschiedliche Behandlungsansätze, die hier im Einzelnen nicht alle vorgestellt werden können. Ich beschränke mich von daher auf die Behandlungsmaßnahmen, die ich in meiner Praxis anwende.
Am Anfang der Therapie steht eine gute Aufklärung des Patienten, was die Compliance für das Heimprogramm, welches der Patient täglich durchführen soll, erhöht. Meistens werden dadurch auch die Patientenzufriedenheit und das Verständnis für die Krankheit verbessert.

Die wichtigsten Maßnahmen, die der betroffene Patient selbst zu Hause durchführen kann, sind das Pendeln und das Vermeiden von Bewegungen über 80° Abduktion.
Das Pendeln erfolgt aus aufrechtem Sitzen oder Stehen, bei dem der Patient ein Gewicht von 1 – 3 Kilogramm (z.B. kleine Hantel oder volle Getränkeflasche, siehe Bild 1) in der Hand hält. Das Pendeln soll mit nur geringer Bewegungsamplitude durchgeführt werden, für mindestens 20 Minuten am Tag. Eventuell kann es auch auf zwei mal 10 Minuten aufgeteilt werden. Aufgrund des Pendelns wird durch die Eigenschwere des Armes und das zusätzliche Gewicht der Oberarm nach unten gezogen und somit der subacromiale Gleitraum erweitert. Zusätzlich erfolgt dadurch auch eine Stoffwechselsteigerung mit Abtransport von Schwellung, Schmerz- und Entzündungsmediatoren aus dem Gleitraum. Nach der Erklärung für das Pendeln erfolgt die Besprechung des Bewegungsverhaltens. Deutlich sollte darauf hingewiesen werden, dass der betroffene Arm, wenn möglich, nicht mehr über 80° gehoben werden soll. Auch wird die Lagerung des Armes während des Nachtschlafes besprochen, mit dem Hinweis, dass der Arm nachts unten bleiben soll. Ansonsten dürfen die Betroffenen alle Bewegungen ausführen, die schmerzfrei möglich sind. Schonung wirkt sich eher nachteilig aus, doch sollten auf jeden Fall schmerzhafte Bewegungen vermieden werden, da diese sonst wieder zu mehr Schädigungen der Supraspinatussehne führen können.

Werden diese zwei Maßnahmen vom Patienten konsequent umgesetzt, kann es allein dadurch schon zu erheblichen Verbesserungen kommen. Eventuell kann der Patient zusätzlich täglich mehrmals kühlende Maßnahmen an der Schulter zur Entzündungshemmung durchführen.
Eine weitere gute Maßnahme ist das Walken ohne Stöcke. Durch das Walken bedingt kommt es ganz automatisch zu einer Armpendelbewegung, welches die oben beschriebenen Wirkungen des Pendelns haben.

Zur weiteren Behandlung erfolgen Maßnahmen der Manuellen Therapie, welche eine den Humeruskopf caudalisierende und eine die Gelenkkapsel dehnende Wirkung haben. Die Manuelle Therapie erfolgt unter anderem in Rückenlage des Patienten (Bild 2), bei der der betroffene Arm des Patienten leicht abduziert ist und der Therapeut am Oberarmkopf caudalisierenden Druck ausübt.

 

Aus der Seitenlage kann eine manualtherapeutische Behandlungstechnik durchgeführt werden, die meiner Meinung nach eine starke caudalisierende Wirkung auf den Humeruskopf hat. Dabei liegt der Patient auf seiner nichtbetroffenen Seite, der Behandler steht hinter ihm, umfasst mit einer Hand den Oberarm des Patienten, mit der anderen Hand umfasst er mit Daumen und Radialseite des Zeigefinger den Oberarmkopf. Jetzt hebt der Behandler den Arm des Patienten in leichte Abduktion (bis ca. maximal 40°, der Patient bleibt passiv), dabei drückt er gleichzeitig mit der anderen Hand, die am Humeruskopf anliegt, den Humeruskopf mit mittlerer bis stärkerer Kraftaufwendung nach caudal. Nach ca. 3-4 Sekunden zurück in die Ausgangsstellung um dann wieder erneut, unter Abduktion bei gleichzeitigem Caudalschub, den gleichen Bewegungsablauf durchzuführen. Oft führe ich diese Maßnahme bis zu 15 Minuten am Patienten durch.

 

Nach diesen Maßnahmen erfolgt eine manuelle Detonisierung der Muskeln am Oberarm, die aufgrund ihres anatomischen Verlaufs den Humeruskopf nach oben ziehen. Diese Muskeln sind der M. biceps, der lange Kopf des M. triceps, der M. deltoideus und der M. pectoralis major pars clavicularis.
Eine kurze manuelle Behandlung des Nackens, besonders des oberen Trapeziusrandes, der bei länger anhaltenden Impingement oft schmerzhaft verspannt ist, schließt die manualtherapeutische Therapie ab.

Eine physiotherapeutische Behandlung schließt sich an, bei der der M. latissimus dorsi und die Rotatoren gekräftigt werden sollen. Der M. latissimus dorsi ist ein Muskel, der den Humeruskopf nach unten zieht. Die Rotatoren bewirken bei der Armhebung ein Caudalgleiten. Die weiter oben erwähnten Muskeln, die den Oberarmkopf nach oben ziehen, sollen nicht trainiert werden. Bei der Kräftigung der Rotatoren ist zu beachten, dass die Außenrotationsbewegung aufgrund des Sehnenschadens meist schmerzhaft ist. Meist kann mit der Außenrotation nur geringer Widerstand zum Training verwendet werden. Eventuell muss anfangs sogar ganz darauf verzichtet werden. Auf jeden Fall soll die Physiotherapie keine Schmerzen verursachen. Das Kräfteverhältnis ist bei den Rotatoren physiologischerweise zu Gunsten der Innenrotatoren verschoben, das heißt, dass die Innenrotatoren kräftiger sind als die Außenrotatoren. Doch sind meist beim Engpass-Syndrom die Kräfteverhältnisse noch stärker zu Gunsten der Innenrotatoren verschoben. Deshalb sollten die Außenrotatoren, bei beginnender Reduzierung der Schmerzen stärker trainiert werden. Die Physiotherapie kann gerätegestützt oder mit Therabänder erfolgen. Durch den gezielten Aufbau der Muskeln soll eine bessere Caudalisation, ein verbessertes Caudalgleiten bei der Armhebung und eine verbesserte Gelenkführung erreicht werden.

Zur Entzündungshemmung empfehle ich „Phlogenzym“, ein naturheilkundliches Medikament, das die Wirkstoffe Bromelain, Trypsin und Rutosid enthält. Durch diese Wirkstoffe werden Entzündungen gehemmt und Schwellungen abgebaut. Schmerzen klingen dadurch schneller ab, der Heilungsprozess wird beschleunigt.

Bei den meisten Patienten stellt sich im Verlauf von Wochen eine deutliche Besserung bis zur Beschwerdefreiheit ein. Selbst bei fortgeschrittenen Defekten der Rotatorenmanschette kann ein gutes Ergebnis mit Beschwerdefreiheit erreicht werden. Manchmal erfordert das Supraspinatus-Syndrom allerdings auch Geduld. Besonders bei schon weit fortgeschrittenen Defekten der Supraspinatussehne mit Bewegungseinschränkungen oder bei zusätzlichen Kalkablagerungen (sogenannte „Kalkschulter“). Die Behandlung kann sich dann über Monate hinziehen.